Radiohead - Present Tense

Ich saß am Port Jackson in Sydney und wartete auf meine Fähre. Der Himmel war bewölkt und ein grauer Schleier erstreckte sich über die Hochhäuser am Hafen. Ich beobachtete die Menschen, die Möwen, die Boote, den Himmel und dann mich selbst und mein frisch gebrochenes Herz. Einen Tag zuvor war ich in Neuseeland und erhielt einen niederschmetternden Anruf. Eine Übernachtung am Flughafen, verzweifelte Bemühungen um ein Visum in letzter Sekunde, etliche Gespräche und einen Flug nach Sydney später beschloss ich, diese verdammte Reise zu genießen und mich auf Australien zu freuen. Auf die Wärme, die Strände, das Great Barrier Reef und das sorglose Leben eines Backpackers, für welches ich einen Monat zuvor Berlin verlassen hatte. Nur ein paar Stunden erst befand ich mich in Sydney, doch war ich sofort verliebt in die Wärme, das stürmische Wetter, die Architektur, welche mich an London erinnerte und diese Whiskeybar mit dem charmanten Barkeeper. Ich kramte in meinem Rucksack nach meinem Handy und meinen Kopfhörern. "Limb by limb and tooth by tooth, tearing up inside of me. Every day, every hour, I wish that I was bullet proof", säuselte Thom Yorke in meine Ohren. Die sanfte Musik legte sich wie Balsam über mein Herz, denn ich wusste, ich bin nicht allein. Auch er war an einem Zeitpunkt nicht bullet proof, auch er ist immer wieder zerbrechlich. Seine Worte schlangen sich wie eine Umarmung um meinen Körper, in welche ich mich einfach fallen lassen konnte. Fast zwei Jahre ist das her und es hat sich nichts geändert, Thom Yorke ist immer noch für mich da und singt: "I won't get heavy, don't get heavy. Keep it light and keep it moving. I am doing no harm as my world comes crashing down. I'm dancing, freaking out, deaf, dumb and blind." So verzweifelt, dass nun ich ihn gerne umarmen würde, so gefühlvoll, dass mein Sentiment dagegen wahrscheinlich ein Witz ist. Diese Musik ist alles. Die Musik, die versteht, die stützt, die mitweint, mitlacht, Schatten vertreibt und das Licht zurückholt. Als Radiohead letzten Sommer in Berlin schließlich vor mir auf der Bühne standen, dachte ich still zu mir: "Danke, Mann. Danke."